Experten-Interview: Sandra Preinsack über Reiten, Fitness uvm.

Sandra Preinsack von Lehrmeister Pferd und bodymindreflection ist Gesundheitstrainerin, Dipl. Wirbelsäulen- und Beckenbodentrainerin, Centered Riding Instruktorin, Dip. Mentaltrainerin und Ausbilderin für physisch und psychisch gesunde Turnier- und Freizeitpferde. Sie ist spezialisiert auf Sitzschulung, Körperwahrnehmung, Gesundheits- und Mentaltraining, klassische Dressur und charakterlich schwierige Pferde oder Pferde mit physischen Erschwernissen. Wir haben sie befragt zu ihrem Weg, ihrem Konzept und wie wichtig ein fitter Reiter eigentlich ist.

Du begleitest die unterschiedlichsten Pferd-Mensch-Paare und begleitest sie am Weg zum gesunden Reiten durch deinen eigenen Stil. Wie würdest du diesen mit drei Wörtern beschreiben?

individuell, ideenreich, humorvoll

Sandra betreut die unterschiedlichsten Pferde und Reiter, darunter auch einige Hafis, wie zum Beispiel Julia mit ihrem Professor Filou. Foto: Julia G.

Sandra betreut die unterschiedlichsten Pferde und Reiter, darunter auch einige Hafis, wie zum Beispiel Julia mit ihrem Professor Filou. Foto: Julia G.

Was steht hinter deinem Konzept und was ist dir wichtig?

Dass es kein Schema gibt! Beim Reiten geht es für mich nicht nur darum, spezielle Fertigkeiten (z.B. eine Traversale beim Dressurreiten oder einen sauberen Spin beim Westernreiten) zu entwickeln oder zu verbessern, sondern vielmehr darum, die Essenz beider Charaktere (Mensch und Pferd) zu treffen. Jeder soll sein dürfen wie er ist, sich wohlfühlen und sich respektvoll und wertschätzend gegenüber dem anderen verhalten. Jeder ist eingeladen, sich ständig weiterzuentwickeln, an sich aktiv zu arbeiten und seinen eigenen Weg zu gehen. Liebe, Fairness, Konsequenz und Regelmäßigkeit gepaart mit einem ständigen Hinterfragen und über den Tellerrand schauen – DAS ist für mich ein gutes Konzept!

Wie ist es dazu gekommen, dass du deinen eigenen Ansatz entwickelt hast?

Ich habe die Liebe zu Pferden schon im Kleinkindalter entdeckt, seit dem hat sie mich nicht mehr losgelassen. Bis ich den für mich jetzt so stimmigen Weg gefunden habe, hat es allerdings sehr lange gedauert. Ich kann sagen, ich habe jeden einzelnen Fehler selbst gemacht, bin mit einem riesengroßen Ego auf meiner Schulter im Sattel gesessen und hatte nicht das Glück, Trainer zu haben, die mich auf den Boden der Tatsachen zurück geholt haben (das damalige Pferd hat es wohl versucht, ich war aber nicht bereit zuzuhören). Mich auf den im wahrsten Sinne des Wortes schmerzlichen Boden der Realität zurück zu holen, das hat dann mein leider bereits verstorbener Wallach Aceron gemacht, der mir seine Sicht der Dinge erklärt hat. Ein höchst traumatisiertes Pferd, dem ich viel verdanke. Das war der Beginn meiner Reise in die Köpfe und Herzen von Pferden. Das ist jetzt mittlerweile fast 15 Jahre her. Seither durfte ich von sehr vielen Pferden und Menschen sehr viel lernen. Jedes Pferd, vom Grünschnabel bis zum Lehrmeister, hat seine Geschichte. Und wir reiten auf der Geschichte, nicht nur auf dem Körper des Pferdes. Die Geschichte ist das, worum es geht – sie macht uns zu dem was wir sind. Ob wir nun zwei oder vier Beine haben.

Aceron hat Sandra den richtigen Weg gezeigt und dafür ist sie unendlich dankbar. Foto: Sandra Preinsack

Aceron hat Sandra den richtigen Weg gezeigt und dafür ist sie unendlich dankbar. Foto: Sandra Preinsack

Du hast viel Erfahrung in der Reiterschulung und befasst dich intensiv mit der Anatomie von Mensch und Pferd. Wo liegen meist Probleme und was sind die gängigsten Blockaden?

Die meisten Probleme ergeben sich aus der alltäglichen Händigkeit. Hast du als Rechtshänderin schon mal versucht, mit der linken Hand Zähne zu putzen oder eine Suppe zu essen? Das bedeutet, alles was am Pferd sichtbar wird, begleitet uns in Wahrheit 24 Stunden am Tag. Die meisten von uns sind auch dazu genötigt, sehr viele Stunden am Tag zu sitzen oder sich sehr einseitig zu bewegen. Das hat Auswirkungen auf unseren ganzen Körper, insbesondere Becken, Hüftgelenke und Schulterpartie. Reiten ist Kommunikation. Man kann nicht nicht kommunizieren. Auch wenn wir glauben, wir tun doch gar nichts, tun wir eine ganze Menge. Wenn das, was wir tun jedoch von Blockaden bzw. falsch ausgebildeter Muskulatur dominiert wird, hat das Pferd wenig Spielraum, sich trotzdem gut zu entwickeln. Das Pferd ist immer ein Spiegel von dem was wir tun. So kann es sich ganz großartig entwickeln, auch wenn es vielleicht nicht die besten Anlagen besitzt, oder es verliert seinen Glanz trotz seines wunderbaren Potentials.

Wie wichtig ist allgemeine Fitness für den Reiter? Und was hat das Pferd davon? Haben körperliche Schwächen des Reiters negative Auswirkungen aufs Pferd?

Ein Reiter, der auf seine Fitness achtet, auf sich selbst schaut, sich wohl fühlt und mit seinem Körper besser umgehen kann ist auf jeden Fall besser für sein Pferd, als ein Reiter, der motorischen und sensorischen Nachholbedarf hat, nicht weiß was er tut, weil er sich selbst nicht wahrnimmt und spürt und vielleicht auch noch stark übergewichtig ist. Je besser ich meinen eigenen Körper kenne, desto effektiver kann ich ihn FÜR das Pferd einsetzen – und das hat bitte absolut nichts mit eiserner Muskelkraft zu tun. Vielmehr geht es um die inneren Muskelschichten, um unser Korsett (u.a. musculi multifidi – ein faszinierendes Netz an Muskulatur um die Wirbelsäule), das uns trägt und stabilisiert und damit gezielt gesteuerte Bewegungen erst möglich macht.

Alles hat Auswirkungen auf das Pferd. Jede einzelne Handlung im Sattel bekommt ein Feedback von unten (und damit meine ich jeden Millimeter in der Position, jede Blockade, jedes fixierende Denkmuster…). Das ist die großartige Chance, jedes Mal wenn man auf dem Pferd sitzt, etwas zu lernen. Eine neue Nuance, eine genauere Abstimmung, ein besseres „sich-bewegen-lassen“. Herrlich, oder?

Welche Rolle spielt die Muskulatur beim Reiten?

Muskulatur spielt generell eine große Rolle, für jeden Menschen. Damit meine ich nicht die Muskulatur eines Bodybuilders sondern eine gesunderhaltende Form von Krafttraining, das im besten Fall auch noch z.B. Koordination und Rhythmus fördert. Die inneren Muskelschichten um unsere Wirbelsäule und die Becken- und Beckenbodenmuskulatur helfen uns nicht nur bei der Ausführung gezielter, kontrollierter Bewegungen, sie helfen auch beim Stützen der Organe und bei der Schonung unserer Bandscheiben und Gelenke. Diese wiederum sind maßgeblich beteiligt, wenn es darum geht, Bewegung und Energie vom Pferd durch den Körper zu leiten bzw. zu speichern und sinngerichtet frei zu geben.

Es geht darum, sich selbst besser kennenzulernen und dies dem Pferd zur Verfügung zu stellen. Foto: Lehrmeister Pferd von collect moments

Es geht darum, sich selbst besser kennenzulernen und dies dem Pferd zur Verfügung zu stellen. Foto: Lehrmeister Pferd von Cornelia Ranz, www.conny-collects-moments.com.

Kann man durch körperliches Training seine reiterlichen Fähigkeiten gezielt verbessern und warum?

Ja. Es geht immer darum, sich selbst besser kennenzulernen und diese Erkenntnisse dem Pferd zur Verfügung zu stellen. Nicht umsonst heißt es, Reiten sei in höchstem Ausmaß persönlichkeitsbildend. Dem stimme ich absolut zu! Je mehr ich über mich weiß, physisch und psychisch, desto pferdegerechter kann ich mein Training gestalten. Ich kann meinen Körper, meinen Geist und mein Herz dafür einsetzen, dass ich nichts einfach hinnehmen muss sondern mit einer gesunden Skepsis auch mich selbst und mein Tun immer wieder hinterfragen kann.

Ein geschmeidiger und aufrechter Sitz bedeutet wohl für jeden etwas anderes. Foto: Sandra Preinsack

Ein geschmeidiger und aufrechter Sitz bedeutet wohl für jeden etwas anderes. Foto: Sandra Preinsack

Was ist die Basis für einen geschmeidigen und aufrechten Sitz? Und was kann man in der Freizeit zusätzlich dafür tun?

Geschmeidig und aufrecht, das bedeutet wohl für jeden etwas anderes. Jemand, der vielleicht gerade versucht, nach einem Reitunfall wieder in den Sattel zu finden wird andere Voraussetzungen und Ziele haben, als jemand, der grundsätzlich fit, gesund und leistungsfähig und vielleicht auch noch sehr ambitioniert ist.

Die Basis ist immer das Becken! Die Sitzbeinhöcker sind das erste, das das Pferd vom Reiter spürt. Und wie die Sitzbeinhöcker in den Sattel (oder auf das Pferd) treffen, hängt davon ab, welche Position das Becken einnimmt. Und das wiederum lässt sich vom Oberkörper, von der Wirbelsäule, sehr gut steuern und verbessern. Eine bandscheibenschonende Haltung also ist nicht nur gesundheitsfördernd sondern wirkt sich auch in jedem Fall positiv auf den Rücken und die Bewegungsdynamik des Pferdes aus. Genaueres zu diesem Thema gibt’s in meinem Workshop „Die Wirbelsäule von Reiter und Pferd“ zu erfahren und zu erfühlen.

Wissen hilft im Allgemeinen immer, für sich und sein Pferd zumindest den Anstoß für eine pferdegerechte Weise des Ausbildens und Reitens zu geben. Jedoch muss man diese Veränderungen gefühlt haben, dass man es überhaupt für möglich hält, dass winzige Nuancen so riesige positive Auswirkungen haben können. Deswegen hilft alles, was die Wahrnehmung schult, sei es Yoga, Pilates, Mentaltraining, Atemübungen aber auch Krafttrainings und Bootcamps kann man nutzen, um über sich selbst und seinen Körper mehr zu erfahren.

Kann man körperliches Training und Reiten kombinieren? Gibt es spezielle Übungen vor dem Reiten oder am Pferd?

Ja! Ich habe bereits schon ein paar Fitnesskurse für Reiter mit Theorieelementen abgehalten, damit sie auch wissen, warum es sich lohnt, wirklich permanent an sich selbst zu feilen. Auch geistig! Der körperliche Fortschritt bedeutet vielfach auch mehr Ideen, mehr Wissen und mehr (Mit-)Gefühl für sich selbst und den Partner Pferd. Im Rahmen der Fitness- und Ernährungsreihe werde ich gerne meine Lieblingsübungen in den nächsten Wochen verraten.

Ändere was, dann ändert sich was! Foto: Lehrmeister Pferd von collect moments

Ändere was, dann ändert sich was! Foto: Lehrmeister Pferd von Cornelia Ranz, www.conny-collects-moments.com.

Wie lautet dein Tipp an alle Reiter?

Ändere was, dann ändert sich was! Höre auf dein Pferd, es sagt dir alles, was du wissen musst – es bedarf in den meisten Fällen aber eines Dolmetschers, der das Pferd und den Pferdekörper lesen kann und zwischen Pferd und Mensch vermittelt. Und: ganz wichtig, Pferde benötigen NIE große Muskelkraft um irgendwelche Lektionen auszuführen. Pferde sind höchst sensible Wesen, und gerade die, die nach außen hin vielleicht anders wirken sind in Wahrheit oft nur zu dem gemacht worden, was sie in diesem Augenblick sind. Hinter jedem Pferd steht eine Geschichte, und diese Geschichte können wir als Pferdebesitzer und Reiter mitschreiben.

 

Titelfoto Beitrag: Lehrmeister Pferd von Cornelia Ranz, www.conny-collects-moments.com.

 

 

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